“Marketers have a history of just taking attention and wasting it.”
Seth Godin Tweet
Stell dir vor: Du bist auf einem Event und präsentierst dein Unternehmen.
Ihr habt ein unfassbar gutes, innovatives Produkt und platzt fast vor Stolz.
Das Publikum hat von euch aber noch nie gehört. Wie gehst du nun vor?
Du schiebst im wahrsten Sinne des Wortes eigenhändig Besucher zu eurem Stand. Jetzt bleiben dir nur wenige Sekunden, um zu überzeugen.
Und dann hast du die Wahl:
Du listest langatmig die Features eures Produktes auf und zeigst, warum ihr sooo viel besser seid als die Konkurrenz.
oder:
Du erzählst deinem Gegenüber eine epische Geschichte:
Angefangen bei einem Helden, dessen Welt trist und langweilig ist. Doch er hört den Ruf des Abenteuers und nimmt sich der schier unlösbaren Aufgabe an!
Dort begegnet er einem weisen Mentor, der ihm bei der Bewältigung seiner Aufgaben unterstützt und mit Rat und Tat zur Seite steht.
Nun gilt es, verschiedene Bewährungsproben und Hindernisse zu bewältigen. Er trifft immer mächtigere Feinde, bis er vor der finalen Schlacht steht – und diese mit enormer Anstrengung und der Unterstützung des Mentors schlussendlich gewinnt.
Zum Ende des Abenteuers ist er als Mensch gewachsen und wird zuhause mit Anerkennung und Ruhm belohnt!
Was denkst du kommt besser an?
Bei der ersten Option kann man förmlich zusehen, wie das Interesse des Gegenübers innerhalb von Sekunden verpufft. Er verzieht sein Gesicht, schaut aus Verlegenheit zur Seite und überlegt, wo er am schnellsten den nächsten Kaffee bekommt. Der grosse Vorteil bei Events ist, dass dein Gesprächspartner – wenn er höflich ist – nicht sofort geht. Die Chance ist aber in jedem Fall vertan.
Die bessere Option: Strategisches Storytelling
Im Internet ist die Aufmerksamkeitsspanne noch viel kürzer. Wenn du nicht innerhalb von wenigen Sekunden überzeugst, wird das Fenster mit einem Klick geschlossen.
"People don’t buy the best products and services, they buy the ones they can understand the fastest."
Donald Miller Tweet
Heutzutage kaufen Menschen nicht die besten Produkte – sondern diese, die sie am schnellsten verstehen können. Das klingt erst einmal brutal, macht aber definitiv Sinn und unterstreicht die enorme Relevanz von gutem Storytelling in unserer heutigen Welt.
Denn ebenso wie du die Aufmerksamkeit des Kunden innerhalb von wenigen Sekunden verlierst, kannst du den schwindenden Franken auf deinem Marketingkonto für schlecht performende Ads-Kampagnen zusehen, die auf keinen oder schlechten Stories basieren.
Frameworks zum Storytelling
Natürlich ist es nicht ganz einfach, eine packende Geschichte zu erzählen, die dich für immer im Kopf deiner Kunden positioniert. Storytelling ist „easy to learn, but hard to master.“ Aber die Mühen lohnen sich in jedem Fall.
Denn keine andere Methode erlaubt es dir, in kürzester Zeit eine solch starke emotionale Verknüpfung mit deinem Leser aufzubauen, dein Content Marketing dramaturgisch auszurichten und „Expertise, Education and Entertainment“ (Dave Gerhardt) so einfach zu kombinieren.
Im Moment arbeiten wir bei Digital Leverage mit zwei Frameworks, um mit unserem Content gute Geschichten zu erzählen: zum einen mit Andy Raskin’s Strategic Narrative und zum anderen mit Donald Miller’s Storybrand.
Andy Raskin: Pitch the Promised Land
1. Start with a big, undeniable change that creates stakes
Beginne deine Story nicht damit, über dein Produkt oder Unternehmen zu sprechen – sondern starte mit dem ‚Big Picture‘. Welche Veränderung hat für den Kunden eine starke Bedeutung und ist sehr dringlich? Zeig auf, dass es durch diese Veränderung Gewinner und Verlierer geben wird.
2. Name the enemy
Was darf keinem Helden fehlen? Ein richtig übler Antagonist und Widersacher! Erst dann kommt die Story so richtig in Schwung und erleichtert es deiner Zielgruppe, sich mit dem Helden noch schneller zu identifizieren. Bei dem Bösewicht handelt es sich nicht um deine Konkurrenz, sondern um ein personifiziertes Hindernis.
3. Tease the “Promised Land”
An dieser Stelle ist die Versuchung gross, direkt mit deinem Produkt als Heilbringer einzusteigen. Aber noch ist nicht der Moment, weil für den Kunden noch etwas Kontext fehlt. Das ‚Promised Land‘ steht vielmehr für eine Vision – die bessere Welt, die dein Produkt oder Service schaffen wird.
4. Position capabilities as “magic” for slaying “monsters”
Features deines Produktes sind wie Magie, die dem Kunden dabei helfen seine Herausforderungen zu lösen. Es holt die Vision vom Promised Land in die Realität und macht sie greifbarer.
5. Present your best evidence
Am Ende lieferst du dem Kunden handfeste Beweise. Am besten ist natürlich eine Success Story eines Bestandskunden, der bereits das gelobte Land erreicht hat.
Donald Miller: Storybrand BrandScript
1. A character
Dein Kunde (und nicht dein Unternehmen oder Produkt!) ist der Held der Geschichte.
2. With a problem
Jeder Held hat Probleme – das ermöglicht uns, sich mit ihm zu identifizieren und macht ihn sympathisch. Auch hier kann und soll das Problem in Form des Bösewichts personifiziert werden.
3. Meets a guide
Er trifft einen Mentor – dich, deine Firma oder dein Produkt.
4. Who gives them a plan
Der Held vertraut dir, weil du einen Plan hast und ihm zeigst, wie du seine Probleme lösen kannst.
5. And calls them to action
Als Mentor motivierst du den Helden dazu, sein Problem anzupacken.
6. That sends in success
Wie sehen Erfolgserlebnisse aus? Dein Kunde versteht, wie dein Unternehmen ihm bei der Bezwingung seiner Probleme helfen kann.
7. That helps them avoid failure
Das tragische Ende wird vermieden – muss aber auch benannt werden.
Beide Ansätze haben eines gemeinsam:
Sie machen den Kunden zum Mittelpunkt des Geschehens.
Dein Unternehmen, Produkt und auch deine Marketing- und Content-Strategie sind nur Mentoren und Begleiter, die dem Kunden bei der Erreichung seiner Ziele helfen. Ausserdem wird in der Geschichte klar aufgezeigt, wie nah Erfolg und Misserfolg beisammen stehen – und wo ihr den Unterschied macht.
Kundenzentriertheit und Dramaturgie sind das A und O jeder guten Story.
Beispiele für strategisches Storytelling
Folgend ein paar Beispiele, bei denen Storytelling gut umgesetzt wird:
Gremlin
Gremlin ist ein Tech-Startup aus den USA, mit dessen Service man Schwachstellen in IT-Infrastrukturen findet und verbessert. Dabei hat das Startup den Bösewicht direkt als Brand-Namen verwendet und das Problem der Developer-Zielgruppe direkt personifiziert: Aus Schwachstellen und Bugs werden kleine Kreaturen, die in der IT ihr böses Werk verrichten. Dieses Thema zieht sich durch die ganze Brand hindurch und ist ein schönes Beispiel, wie man einem technisch komplexen Bereich einen spannenden und emotionalen Anstrich geben kann.
Bosch
Kommunikation und das Marketing von B2B-Industrieunternehmen ist langweilig? Nicht so bei Bosch. In einer Kampagne von 2019 hat das Unternehmen die Kampagne „Like a Bosch“ ins Leben gerufen. Dabei werden die Themen Internet of Things sowie Konnektivität von Maschinen und Daten thematisiert – und das wurde unserer Meinung nach ziemlich gut gemacht. Change und Transformation wird leicht und spielerisch angegangen – Bosch als junggebliebenes, hippes Unternehmen neu positioniert.
Ausserdem findet sich die Tagline #likeabosch nicht nur innerhalb der Kampagne, sondern mittlerweile in fast jedem Social Media Posts von Bosch-Mitarbeitern. Dieses Beispiel zeigt sehr schön, dass Storytelling nicht nur für die Aussenwahrnehmung essentiell, sondern auch extrem hilfreich ist, um ein neues Image intern mit weltweit fast 400’000 Mitarbeitern zu kommunizieren.
Salesforce
Klassisches Storytelling: In dem Buch ‚Behind the Cloud‘ vom Salesforce-Gründer Marc Benioff beschreibt er wunderbar, wie er seine Company als Opponent zu bisher üblicher Enterprise-Software mit teuren Lizenzen und langen Update-Zyklen positioniert und diese mit verschiedenen, teilweise sehr verrückten Aktionen manifestiert. So haben sie zum Beispiel Schauspieler angeheuert, um vor einem Event eines Wettbewerbers ‚No Software‘ zu demonstrieren.
Weitere Beispiele für ‚Enemies‘ von Raskin
Wir haben vorhin schon das Framework von Andy Raskin vorgestellt. In einem seiner Social-Media-Posts nennt ein paar interessante Beispiele für falsche Denkweisen und Enemies. Beachte, dass es sich hier nie um den direkten Wettbewerb handelt!
8 Punkte, die du für gutes Storytelling beachten musst
Hier ein paar wichtige Punkte, die du beachten solltest:
1. Storytelling ist Unternehmensstrategie
In vielen Projekten ist uns aufgefallen, dass im Marketing hier und da Stories erzählt werden. Allerdings geschieht das nur isoliert, zum Beispiel innerhalb eines Artikels, einer Anzeige oder eines Videos.
“Companies that don’t have a clearly articulated story don’t have a clear and well-thought-out strategy. The company story is the company strategy.”
Ben Horowitz Tweet
Die ‘Strategic Narrative’, sprich die Company Story, definiert jedoch die gesamte Unternehmensstrategie und bildet die Grundlage für alle weiteren Aktivitäten: von der Company Vision und Mission, zur Positionierung, bis hin zu Content Assets wie Sales Deck, Blog Artikel, Whitepaper, Videos, Webinare und Keynotes auf Events.
2. Nicht besser, sondern anders
Eine Strategic Narrative ist keine Geschichte darüber, warum euer Produkt für deinen Kunden besser als die Konkurrenz ist. Es geht darum, dass in einer neuen, besseren Welt des Kunden nur ihr als Lösung in Betracht gezogen werdet.
3. Fasse dich kurz
Gute Stories sind klar und verständlich. Sie bestehen aus nur einem Held, nicht fünf verschiedenen. Dieser Held hat nur eine Herausforderung zu bewältigen, und nicht drei gleichzeitig.
Häufig werden gute Geschichten zu komplex, in dem man über die Zeit weitere Informationen und Details hinzufügt. Die grosse Kunst ist es, die Story mit wenigen Worten so klar wie möglich zu gestalten. Damit kommen wir zum nächsten Punkt.
4. Verteidige die Story mit deinem Leben
Vielleicht musst du dich nicht direkt in Lebensgefahr begeben, aber:
Die Story ist dein Baby!
Schnell passiert es, dass man hier und da improvisiert. Das Salesteam möchte am liebsten jedes Problem in der Story erwähnen. Der Entwickler möchte dieses und jenes Features nennen. Frei nach dem Motto: Viel hilft viel.
Leider komplett falsch. Häufig hat das zur Folge, dass sich die Geschichte bis zur Unkenntlichkeit verselbstständigt. Hier liegt es an dir, sie sprichwörtlich zu verteidigen und so klar und nachvollziehbar wie möglich zu halten.
“Es darf kein einziges Wort oder Bild, keine Vorstellung geben, die nicht auf den Gedanken beruht, die in Ihrem Storybrand BrandSript festgehalten sind.”
Donald MIller Tweet
Wir wissen, dass das nicht immer einfach ist. Daher ist es wichtig, dass du dich innerhalb deines Unternehmens als Owner der Story etablierst.
5. Storytelling ist ein iterativer Prozess
Vielleicht hast du enormes Glück, aber keine Story trifft auf Anhieb den Nerv des Kunden. Hier heisst es in Kundengesprächen und Analysen zu beobachten und zu iterieren: Welcher Part der Story kommt gut an, welcher nicht? Welche Punkte werden von Kunden erwähnt? Vielleicht findet sich hier noch ein guter Vergleich, auf den ihr bisher nicht gekommen seid? Auch Feedback von Kollegen sollte auf keinen Fall ignoriert – sondern gesammelt, analysiert und gegebenenfalls eingearbeitet werden.
Hier gilt es eine gute Balance zu finden – zwischen einem konsistenten Bild nach aussen und gleichzeitig einer ständigen Entwicklung und Verbesserung der Story.
6. Kommuniziere die Story intern
Die Geschichte muss in die Köpfe deiner Kollegen. Nur wenn ihr mit einer Stimme diese Story kommuniziert, ergebt ihr nach aussen hin ein einheitliches Bild. Dafür hilft es, einen umfassenden Story-Onboarding-Plan zu erstellen und Teammitglieder aus verschiedenen Abteilungen mit ins Boot zu holen. So schaffst du es, mehrere Kollegen in die Erstellung der Story mit einzubeziehen und das Projekt gemeinsam umzusetzen und zu tragen. Das hilft ungemein für die interne Akzeptanz und Adaption!
7. Wiederholen ist die Mutter des Studierens
Die Story sollte sich überall wiederfinden und wie ein roter Faden durch euer Unternehmen durchziehen. Ein guter Indikator ist, wenn ihr intern die Story schon selber nicht mehr sehen/hören könnt – dann seid ihr auf dem richtigen Weg! 😉
8. Das Ende muss krachen
Jeder Punkt in einer Story ist wichtig, aber das Ende muss es nochmal in sich haben: Es geht um nichts anderes als um Transzendenz. Die Gefahr wird abgewehrt, der Held ist (dank euch) ein anderer und vor allen Dingen besserer Mensch!
Wie lautet deine Geschichte?
Nun sind wir gespannt auf deine Stories! Hast du gute Beispiele für ausgezeichnetes Storytelling? Du nutzt ein anderes Framework als das von Raskin oder Miller? Oder du brauchst Hilfe bei der Umsetzung? Wir freuen uns in jedem Fall von dir zu hören!